Seminar für Indologie und Tibetologie
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Prof. Dr. Ji Xianlin (1911-2009), der bedeutendste Indologe Chinas

Prof. Dr. Ji Xianlin war Mitglied der Chinesischen Akademie der Wissenschaften. Für seine herausragenden wissenschaftlichen Verdienste wurde ihm 2008 als erstem chinesischen Staatsbürger der Padma Bhushan Award der indischen Regierung verliehen. Der Grundstein für Prof. Dr. Ji Xianlins einzigartige Karriere wurde durch seine Studien und Forschungen im Fach Indologie in Göttingen gelegt, wo er sich zehn Jahre aufhielt.

Die Anfänge

Ji Xianlin wurde am 6. August 1911 in einer armen Bauernfamilie in der nordchinesischen Provinz Shandong geboren. Mit Unterstützung seines Onkels konnte er eine solide Schulbildung an der Provinzhauptstadt Jinan erwerben und an der Elite-Universität Qinghua Germanistik studieren. Durch ein Abkommen seiner Universität mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst wurde Ji Xianlin ein zweijähriges Promotionsstipendium an einer deutschen Universität gewährt. Seine junge Frau und seine beiden kleinen Kinder in China zurücklassend, reiste Ji Xianlin nach Europa und traf Mitte September 1935 zunächst in Berlin ein. Bereits Ende Oktober 1935 siedelte er zum Studium alter Sprachen nach Göttingen über - nicht ahnend, dass er in dieser Stadt ganze zehn Jahre verbringen würde und Göttingen zu seiner zweiten Heimat werden sollte.

Das Buch „Zehn Jahre in Deutschland (1935-1945)“

1991 veröffentlichte Prof. Dr. Ji Xianlin ein Buch mit Erinnerungen an seinen zehnjährigen Aufenthalt in Göttingen und sein Leben während des Zweiten Weltkriegs. Sein Buch, das in China auf große Resonanz gestoßen ist, wurde von der Göttinger Sinologin Roswitha Brinkmann gemeinsam mit Prof. Dr. Li Kuiliu von der Pekinger Fremdsprachenuniversität (Beijing Foreign Studies University) und dem Göttinger Doktoranden Liu Daoqian ins Deutsche übersetzt und unter dem Titel „Zehn Jahre in Deutschland (1935-1945)“ in Peking publiziert. Im Oktober 2009 wurde es in Berlin, Göttingen und während der Frankfurter Buchmesse vorgestellt.

Eine pdf-Version der bereits vergriffenen ersten Auflage der deutschen Übersetzung ist auf der Seite des Universitätsverlags Göttingen abrufbar und wird von uns mit freundlicher Genehmigung der Übersetzerinnen und Übersetzer und des Universitätsverlags Göttingen hier zur Verfügung gestellt.

Eine englische Übersetzung von Auszügen aus "Random Memories of the Cattle Yard", einer Sammlung von autobiographischen und reflektierenden Essays von Ji Xianlin aus dem Jahr 2005, in der er ebenfalls auf seine Erfahrungen in Göttingen eingeht, finden Sie hier. Die Übersetzung fertigten McComas Taylor und Ye Shaoyong.

Die Göttinger Indologie in den Erinnerungen von Prof. Dr. Ji Xianlin

In seinem autobiographischen Werk „Zehn Jahre in Deutschland (1935-1945)“, das sehr anschaulich sein Leben als chinesischer Student in der Universitätsstadt Göttingen mit all seinen Höhen und Tiefen beschreibt, vermittelt er auch interessante Einblicke in die damalige Göttinger Indologie und einige ihrer herausragenden Vertreter, so vor allem in den Kapiteln 10, 12, 16, 21 und 22.

Im Kapitel 10 „Der Weg ist gefunden“ (S. 62-72) stellt Ji Xianlin dar, dass er ursprünglich mit dem Wunsch nach Göttingen kam, um alte Sprachen zu studieren, und im Herbst 1935 zunächst mit dem Studium des Griechischen begann. Doch er konnte mit den deutschen Studenten, die schon im Gymnasium Latein und Griechisch erlernt hatten, nicht konkurrieren. Bereits in China war Ji Xianlin der Gedanke gekommen, Sanskrit zu erlernen, doch gab es niemanden, der es hätte lehren können. In Göttingen mit seiner traditionsreichen Indologie hingegen sah er ideale Bedingungen für das Studium des Sanskrits. Daher belegte Ji Xianlin ab dem Frühjahr 1936 Indologie im Hauptfach und wurde der erste und zu jener Zeit einzige Promovend des gerade 1936 berufenen Lehrstuhlinhabers für Indologie, Prof. Dr. Ernst Waldschmidt.

Im Kapitel 12 „Die ersten zwei Jahre“ (S. 76-81), das auch einige Details des Alltagslebens eines Studenten in Göttingen preisgibt, geht Ji Xianlin genauer auf seine Studienfächer ein. So umfasste sein Hauptfach Indologie das Studium der Sprachen Sanskrit und Pali. Da er für die Promotion auch zwei Nebenfächer studieren musste, wählte er Englische und Slawische Linguistik.

In Kapitel 16 „Studienabschluss und Rückkehrversuche“ (S. 99-109) geht Ji Xianlin auf Einzelheiten seines Studiums der Indologie ein, insbesondere auf einige wichtige Texte, die er mit seinem Lehrer, las, sowie auf das Thema seiner Doktorarbeit. Der Ausbruch des zweiten Weltkriegs und der Krieg in China machten Ji Xianlin eine Rückkehr nach China unmöglich. Als sein Lehrer, Prof. Dr. Waldschmidt, zum Militär eingezogen wurde,

übernahm der emeritierte Prof. Emil Sieg die Vertretung und unterrichtete Ji Xianlin in Tocharisch. 1941 wurde Ji Xianlin mit einer glänzenden Arbeit zum Thema „Die Konjugation des finiten Verbums in den G?th?s des Mah?vastu“ promoviert. Die Doktorprüfung im Fach Indologie fand während eines Heimaturlaubs von Prof. Waldschmidt statt.

Eine PDF-Datei der Dissertation finden Sie hier.

Das Kapitel 21 „Meine Lehrer“ (S. 130-140) ist vor allem der Erinnerung an Prof. Dr. Ernst Waldschmidt und Prof. Dr. Emil Sieg, gewidmet, die er nicht nur als seine Lehrer und bedeutende Gelehrte beschreibt, sondern dabei versucht, auch weitere Facetten ihrer Persönlichkeit einzubeziehen. Zu den weiteren Lehrern, auf die er noch genauer eingeht, gehören die Slawisten Professor Braun und Doktor von Grimm.

Im Kapitel 22 „Das Tocharisch-Studium“ (S. 141-149) kommt Ji Xianlin noch einmal voller Dankbarkeit darauf zurück, dass Prof. Emil Sieg, eine weltberühmte Autorität auf dem Gebiet des Tocharischen, ihm diese Sprache beibrachte. Er schreibt: „Ich habe mein Wissen zurück nach China gebracht. Wir haben die chinesische Tocharisch-Forschung, oder besser gesagt, die chinesische Indologie, in China gegründet. Wir – das steht auch für eine Gruppe von tatkräftigen Sanskrit-Forschern mittleren Alters, Schüler von Jin Kemu und mir, also Schüler der Schüler von Professor Sieg und Professor Waldschmidt. Sie tragen eine riesige Verantwortung auf ihren Schultern, davon bin ich überzeugt“ (S. 148/9).

Das Wirken Prof. Dr. Ji Xianlins in China

Nach seiner Rückkehr nach China erhielt Dr. Ji Xianlin 1946 eine Professur an der Peking University und wurde mit der Gründung der Fakultät für asiatische Sprachwissenschaften betraut. 1956 wurde er zum Leiter des Südasien-Instituts der Chinesischen Akademie der Gesellschaftswissenschaften ernannt. Eines seiner wichtigsten Forschungsgebiete waren die wechselseitigen Einflüsse des Buddhismus in Indien und China. Er hat auch erstmals das R?m?ya?a aus dem Sanskrit ins Chinesische übersetzt. Für seine Verdienste erhielt Prof. Dr. Ji Xianlin viele Auszeichnungen, unter anderem wurde er 2008 mit dem Padma Bhushan Award der indischen Regierung geehrt.

Ein Aufsatz über Ji Xianlin von Dr. Haiyan Hu-von Hinüber

Die langjährige geschäftsführende Direktorin des Konfuzius-Instituts Freiburg, Frau Dr. Haiyan Hu-von Hinüber, eine Schülerin von Prof. Dr. Ji Xianlin, die selbst an der Universität Göttingen in den Fächern Indologie, Tibetologie und Sinologie promoviert wurde, hat in ihrem Aufsatz den Werdegang ihres berühmten Lehrers dargestellt und dessen herausragende wissenschaftlichen Leistungen gewürdigt. Diesen Aufsatz stellen wir hier mit freundlicher Genehmigung der Autorin, der Herausgeber der Zeitschrift Tocharian and Indo-European Studies und des Verlages Museum Tusculanum Press, University of Copenhagen, zur Verfügung.

Haiyan Hu-von Hinüber: „Ji Xianlin (1911-2009)“. In: Tocharian and Indo-European Studies, Vol. 12 (2011), pp. 3-31. (pdf)

Prof. Dr. Ji Xianlins Besuch in Göttingen im Jahre 1980

Noch einmal hatte Prof. Dr. Ji Xianlin Gelegenheit, seine „zweite Heimat“ Göttingen wiederzusehen:

Im November 1980 besuchte er im Rahmen einer hochrangigen Delegation chinesischer Wissenschaftler die Arbeitsstelle des Sanskritwörterbuchs der Turfanfunde (SWTF) im Hall-Haus, Am Rheinsgraben 4, und das Seminar für Indologie und Buddhismuskunde in der Hainbundstraße 21, wo er sich mit seinem Lehrer, Prof. Dr. Ernst Waldschmidt, und weiteren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern traf.

Prof. Ji Xianlin bei seinem Besuch in der Arbeitsstelle des SWTF im Hall-Haus mit Prof. Waldschmidt, Prof. Bechert und Frau Dr. Dietz (v.l.n.r.).
Prof. Dr. Heinz Bechert, Prof. Dr. Ji Xianlin, Dr. Gustav Roth, Frau Prof. Duan Qing (v.l.n.r.) im Seminar für Indologie und Buddhismuskunde.

 

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Prof. Dr. Ji Xianlins Ehrung als „Göttingen Alumnus 2008“

Im September 2008 wurde Ji Xianlin als „Göttingen Alumnus 2008“ beim ersten International Alumni Homecoming in Abwesenheit während einer Festveranstaltung geehrt.

Ebenfalls 2008 wurde Ji Xianlin als erster in China lebender Wissenschaftler zum Ehrenmitglied der Japan Academy gewählt. Er war außerdem der erste Indologe nach Louis Renou und Sylvain Lévi, dem diese Ehre zuteil wurde.